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German Speed Amy
(26.09.1995 - 14.05.2011)

Vom
Chaotenküken zum Freiläufer
Amy
Drei Buchstaben, vier
Beine, zwei abgefressene Ohren, eine Chaotin. Laut, dumm und
hässlich mag manchem hin und wieder in den Sinn gekommen sein,
wenn er der weißen Krawalltüte begegnete. Und ganz von der Hand
zu weisen ist das nicht, wenn ich ehrlich sein soll. Mit den bei
ihren Prügeleien angefressenen Ohren, dem Pitbullgesicht und den
von der Knabberei an Stake-Out Ketten und Seilen abgeschliffenen
und abgebrochenen Zähnen, gehört sie eindeutig nicht in die
Kategorie Steiff-Tier-Husky. Das sie trotzdem durchaus mit „Oh
wie süß“ bedacht wurde, liegt vermutlich in vielen Fällen an der
Anwesenheit ihrer Mutter Gipsy. Jene ist es auch, die im
Training die Führung übernahm, so dass Amy sich die ersten 10
Jahre ihres Lebens sorglos auf das Laufen konzentrieren konnte.
Gee, Haw oder gar Stopp hatten für Amy nur die Bedeutung auf
Mama zu achten und die Leine stramm zu halten. Anhalten und
länger als 30 Sekunden stehen zu bleiben war das Schlimmste, was
man Amy antun konnte und so folgte schnell ein Geschrei, das
sowohl Tierschutz als auch Gehörschutz auf den Plan hätte rufen
können. Also Bremsen los und weiter...

„Einen startenden Düsenjet könnte man jetzt glatt
überhören“
Laufen
Böse Zungen (vor allem
meine) behaupten, Amy hätte nur vier Gehirnzellen: Zwei zum
Laufen, eine zum Fressen und eine, die situationsbedingt belegt
werden kann und deren Inhalt überaus flüchtig ist. Häufig wurde
die 4. Gehirnzelle mit „Reh“ oder ähnlichem belegt, was sowohl
den Zustand Laufen, als auch Fressen erfüllte. Zum Glück
kollidierten in solchen Situationen die Interessen Laufen und
Fressen miteinander, denn die beiden Laufzellen ließen nicht zu,
den Trail zu verlassen. Irgendwann, etwa 2 Jahre nachdem Amy mit
Mutter Gipsy, Tante Cheebaka und Onkel Donjek bei uns eingezogen
waren, muss sich dann die Fresszelle entschieden haben, dass sie
lieber eine Chefzelle sein will, aber bis dahin tat sie ihr
Möglichstes:
Fressen

„Meins!“
Eigentlich kann man das
was Amy tat, nicht fressen nennen. Unter Ganzkörpereinsatz wurde
zum Kopfsprung in die Futterschüssel angesetzt und mit der
Gründlichkeit eines Staubsaugers alles inhaliert, was sich darin
befand. Wasser, Futter, Wurmtabletten, Muschelkalk, alles
verschwand innerhalb kürzester Zeit, was die Medikamentengabe,
wie bei allen meinen Hunden, äußerst einfach gestaltete.
Aufgrund unserer alten Hunde, die bei einer solchen
Geschwindigkeit bei weitem nicht mehr mithalten konnten, wurde
es schnell nötig, das bis dahin übliche Futterschüsselkarussell
zu unterbinden. Da muss wohl irgendwann die Chefzelle entstanden
sein, denn Amy entschied schnell, dass es viel schöner war sich
Kraulen zu lassen, als zu versuchen, sich an fremden Näpfen zu
bedienen. Nach Laufen und Fressen war dann endlich Zeit der
Beschäftigung nachzugehen, mit der sie am meisten Zeit
verbringt:
Schlafen

„Ich
hab zwar ein Auge auf, aber das bedeutet nicht, dass ich
nicht schlafe“
Huskies
brauchen
viel Bewegung. Sagt man. Huskies müssen auch geistig gefordert
werden. Ja... aber bloß nicht zu lang! Vor allem nicht nach
20:00 Uhr abends und 11:00 Uhr morgens. Und auch nicht zwischen
12:00 Uhr und 16:00 Uhr! Da braucht ein Husky seine
Mindestruhezeiten! Besonders gut schläft es sich dabei mit dem
Kopf auf den Füßen vom Chef oder im Kofferraum neben dem
Futtersack. Wer jetzt meint, dass der Sack dabei (später) leer
sein müsse, der irrt. Denn Amy ist ein
Wachhund
„Versteh
doch,
ich kann hier nicht weg!“
Nein,
Amy
würde nicht den Einbrecher abhalten das Haus auszuräumen. Aber
gegenüber den anderen Mitgliedern der Hundefamilie bewacht sie
alles, was neu und interessant ist. Mit Vorliebe natürlich
Futterschüsseln und Menschenessen, aber auch den Werkzeugkasten,
die Meisenknödel am Baum, den gefangenen Igel, das
aufgeschlagene Buch auf dem Tisch neben der Hängematte. Oder
eben den Futtersack im Kofferraum, während ich eine Zeit lang zu
Tisch bin. Bewacht hat sie Dinge schon zu Zeiten, als sie noch
bei Iris lebte. Doch scheint die frei belegbare Gehirnzelle mit
der Zeit zusammen mit der Chefzelle die Führung übernommen zu
haben. Und so sind irgendwann auch gefangene Igel zur Chefsache
erklärt worden und werden unversehrt aufbewahrt, bis ein Chef
sie in Empfang nehmen kann. Etwas, was mich sehr beeindruckt
hat. Noch mehr als Amy als
Leithund

„Und
ich kanns doch!“
Als ich im Juli 2003 die
vier Hunde übernahm, waren Amy 7, Gipsy 11 und Cheebaka und
Donjek 13 Jahre alt. In diesem Winter sind wir mit allen Vieren
noch Schlitten gefahren. Doch obwohl „Die Alten“ noch einmal
aufblühten und ihre Rente genießen konnten, blieb die Zeit nicht
stehen. So fanden Donjek im Sommer 2005 und Cheebaka ein knappes
Jahr später ihre letzte Ruhe zwischen Pflaumenbäumen und
Brombeeren. Im Winter 2005/2006 musste Gipsy an einem Vorderlauf
operiert werden und fiel somit als Leithund aus. An Fahren war
mit Amy und Cheebaka nicht zu denken, aber ich musste Amy
wenigstens am Bauchgurt ein wenig Bewegung verschaffen. Eher
gewohnheitsmäßig als im Glauben etwas zu bewirken, kam mein
„Gee“ an einer Kreuzung, an der wir im Training beide Richtungen
gleichermaßen nutzen. Und Amy bog ab, schob Cheebaka rum und
schenkte ihrer Lieblingsschnupperecke nur einen flüchtigen
Blick. War ich bis dahin noch in Gedanken bei der operierten
Gipsy zuhause gewesen, war ich plötzlich hellwach. „Zufall?“
fragte ich mich lautlos und fing an zu testen. Von den breiten
Wegen in die schmalen Trampelpfade abbiegen und dann entgegen
unserer üblichen Richtung zurück. Amy war unsicher, zögerte,
schlug aber mit stimmlicher Führung schließlich immer den
richtigen Weg ein. Ich hatte plötzlich einen ganz anderen Hund
vor mir. War sie zuvor nur für die Geschwindigkeit zuständig
gewesen, versuchte sie sich jetzt auf mich zu konzentrieren und
alles richtig zu machen. Offensichtlich waren ihre Ohren in den
vorhergegangenen 10 Jahren nicht ganz so auf Durchzug geschaltet
gewesen, wie man hätte annehmen können.
Einstein
sieht ihr zwar ähnlich,
und hat einige Zeit in seiner Jugend im Zwingerteil neben Amy
gewohnt, aber zum Genie wird Amy wohl nicht mehr aufsteigen,
auch wenn sie immer noch lernfähig und -willig ist. Aber sie hat
mir - vielleicht mehr als alle anderen - gezeigt, wie wichtig es
ist, jeden einzelnen Hund nach seinen Möglichkeiten anzusprechen
und zu fördern. Jeder meiner Rentner, auch der anspruchsvolle
Gus und Neuzugang Apollo (Amys Bruder) hat gelernt, dass unsere
Katze(n) kein Futter sind, dass das Obergeschoss Katzen und
Menschen vorbehalten ist, dass Dinge, die auf Tischen stehen
nicht abgeräumt und angerüsselt werden und, dass kleine Hunde
unterwegs nicht als Wegzehrung vorgesehen sind. Aber Amy hat in
Hinblick auf ihr geringes Ausgangspotential bei weitem die
größten Fortschritte gemacht. Aus dem unkonzentrierten Wildfang
ist eine Hündin geworden, die nichts mehr wünscht, als alles
richtig zu machen und dem Chef zu gefallen. Ist ihr „desire to
go“ jetzt mit bald 12 Jahren auch nicht mehr so ausgeprägt wie
früher, so macht sie ihr „will to please“ nun zum oft
freilaufenden Schlittenhaushund. Zuerst war sie nur ein
notwendiges Anhängsel von Mama Gipsy, da Amy unmöglich ohne sie
auskommen wollte. Jetzt ist sie der stabilste Punkt in unserer
kleinen Hunde-Familie. Frei nach dem Motto: „Nur kein' Stress!“

„Gehört
das zu mir? War das gestern schon da?“
Rentner
Und wenn da einer kommt
und sagt, man könne alten Hunden nichts mehr beibringen, dann
werde ich ihm 7 Gräber zeigen und 1001 Begebenheit erzählen.
Viele sagen, dass alte Hunde so „dankbar“ sein müssten, wenn sie
einen schönen Platz bekommen. Ich glaube, sie sind nicht
dankbarer als junge Hunde auch, wenn sie ein Leben führen
können, das ihre Bedürfnisse berücksichtigt. Aber sie sind auch
nicht schwieriger. Und wenn ich von den „Fehlern des
Vorbesitzers“ höre, die man ausbügeln müsse, dann scheint es mir
weit anspruchsvoller, einem jungen Schlittenhund die notwendige
Grundausbildung mitzugeben, die er braucht ein für alle
Beteiligten schönes Leben zu führen. Mag sein, dass Welpen
zunächst einfacher einem neuen Menschen hinterherlaufen, aber
wie viele Tierheim-Insassen zeigen, versuchen sie auch schnell
eigene Wege zu gehen, wenn der Mensch sich nicht als adäquater
Partner herausstellt. Einen Schlittenhund zu führen, bedeutet
immer Zeit und Mühe zu investieren, egal, ob alt oder jung. Ich
kann jedem Schlittenhundeneuling nur empfehlen, es so zu machen
wie wir und sich von ein paar erfahrenen Rentnern erstmal zeigen
zu lassen, was Sache ist.

„Spaß haben und Spaß
machen, auch im hohen Alter kein Problem“
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